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Beitrag vom 01.04.2019
Digital Empowerment-Fachtagung im FCZB
Katharina Wabnitz
Mehr als 70 Interessierte trafen sich am 22. März 2019 zur Fachtagung "Integration von geflüchteten Frauen in einer digitalisierten Gesellschaft: Erfolge, Herausforderungen, Hindernisse und blinde Flecken" im FrauenComputerZentrumBerlin e.V. (FCZB). "Digital Empowerment" beginnt jeweils Anfang und Mitte des Jahres, ein laufender Einstieg ist jedoch nach Absprache möglich. Die nächste Lerngruppe im FCZB startet am 9. August 2019.
Wie steht es heute um die (berufliche) Integration von geflüchteten Frauen in Berlin? Mit welchen Herausforderungen sehen sie sich konfrontiert, welche Hindernisse stehen ihnen im Weg? Welche Rolle spielen dabei digitale Kompetenzen?
Zahlreiche Expert*innen tauschten sich über diese Fragen aus und identifizierten Handlungsbedarfe – Expert*innen, die teils selbst Fluchterfahrung haben, teils aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung, aus Bildung und Forschung, aus Unterkünften, Beratungsprojekten oder Initiativen kommen.
Anlass der Tagung war das 2016 ins Leben gerufene Modellprojekt "Digital Empowerment – Medienkompetenzen für geflüchtete Frauen" des FCZB. Das kostenfreie Angebot richtet sich an alle geflüchteten Frauen in Berlin, die sich in Berlin und Deutschland orientieren, ihre Computer- und Sprachkenntnisse verbessern und eine berufliche Perspektive entwickeln möchten. In den letzten drei Jahren haben über 430 geflüchtete Frauen aus 34 Ländern in dem Projekt ihre Medienkompetenzen erweitert.
Im "Dazwischen""Digital Empowerment" ist ein Angebot für die Zeit "dazwischen". Damit meint
Imma Chienku von Refugees Emancipation e.V. den Zustand, in dem sich die neu in Deutschland Ankommenden befinden: Ihren Herkunftsort haben sie verlassen, gleichzeitig sind sie noch nicht wirklich angekommen. Dennoch sei diese Zeit nicht per se als krisenhaft zu begreifen, biete sie doch die Möglichkeit, persönliche Potenziale und Kompetenzen zu erkennen, die unabdingbar sind für ein gelingendes (berufliches) Ankommen. Gerade für geflüchtete Frauen ist es entscheidend, in diesem "Dazwischen" ihre Position neu bestimmen zu können, individuelle Möglichkeiten zu reflektieren und ihr Selbstvertrauen zu stärken.
Warten, warten, wartenLange unproduktive Wartezeiten, denen Geflüchtete ausgesetzt sind, stellen ein großes Problem dar. Für viele war schon die Flucht durch Zeiten quälenden Wartens und großer Ungewissheit geprägt. Diese Erfahrung setzt sich nun in einem endlosen Prozess des Wartens fort – auf den Asylbescheid, den ersten Deutschkurs, ein Orientierungspraktikum, die Erlaubnis, eine Ausbildung beginnen oder einen Arbeitsplatz suchen zu dürfen. Das Warten ist eine Dauererfahrung mit fatalen Konsequenzen.
So zermürbend und demotivierend es für Einzelne ist, so fahrlässig sei es auch in ökonomischer Hinsicht, Geflüchtete in den Wartezustand zu versetzen, statt ihnen eine möglichst rasche berufliche Integration zu ermöglichen, so
Martina Heger (Personalleitung Gewobag).
Hier knüpft das Land Berlin, auf der Tagung vertreten durch
Barbara König (Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung) an. Berlin ermöglicht Spracherwerb von Anfang an, während die Teilnahme an den auf Bundesebene geregelten Integrationskursen an die Bleibeaussichten der Teilnehmenden gebunden ist.
Dennoch besteht weiterer Bedarf nach einer quantitativen und qualitativen Verstärkung der Angebote für Geflüchtete.
Sean Corleone (Standortleitung der GU Ostpreußendamm/milaa gGmbH) verwies auf das norwegische System: Hier erhalten Geflüchtete ab dem ersten Tag Zugang nicht nur zu Sprachkursen, sondern auch zu ehrenamtlicher Arbeit und Praktika. Ein positives Beispiel, denn das Ankommen braucht Zeit – aber keine unproduktiven Wartezeiten.
HandlungsbedarfeDarüber hinaus kritisierten Sean Corleone, Martina Heger, André Hanschke (Team Asyl, Arbeitsagentur Süd) und Sarah Rüger (Projektleiterin Digital Empowerment) die oft schwierige Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften. Lebt die ganze Familie über Jahre in einem einzigen Zimmer, ist an konzentriertes Lernen kaum zu denken. Zudem ist die vom LAF (Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten) vorgesehene Ausstattung mit einem Computer für 100 Bewohner*innen äußerst dürftig. Wichtige Zugänge zu Informationen über Bildungs-, Beratungs- und Arbeitsangebote bleiben somit versperrt. In vielen Unterkünften fehlen außerdem Computer-Lernzeiten nur für Frauen.
Überhaupt gebe es immer noch zu wenig Angebote für geflüchtete Frauen, so die
Geschäftsführerin des FCZB, Dr. Karin Reichel: "Wir bräuchten mehr Ressourcen, um die Frauen richtig fit zu machen". Ideen für neue Projekte gibt es genug, Karin Reichel denkt etwa an Begegnungsangebote zwischen Frauen mit Fluchtbiografie und Frauen, die schon länger in Berlin leben – um miteinander ins Gespräch zu kommen, anstatt immer übereinander zu reden.
"Ich habe großen Willen, es zu schaffen"Die ehemalige Teilnehmerin Sherin Cheikhmous ist vom Konzept des Medienkompetenz-Trainings überzeugt. Unabhängig von persönlicher Situation, Herkunftsland, Vorbildung und Aufenthaltsstatus stellt das Angebot für viele Frauen eine erste Anlaufstelle dar. Lernanlässe bietet das Leben der Teilnehmerinnen selbst, etwa wenn die Frage auftaucht: "Wie kann ich den Kita-Gutschein einlösen?", oder "Wie finde ich einen arabischsprachigen Arzt?". Wenn Medienkompetenz mit Deutschunterricht und Online-Training mit Exkursionen zu Beratungsstellen verbunden wird, dann steht das Lernen in engem Bezug zur Situation der Teilnehmerinnen. Digitale Kompetenzen sind zudem Bedingung für die Arbeitssuche in Deutschland, so
die Wissenschaftlerinnen Dr. Violeta Trkulja und Dr. Juliane Stiller. Beide stellten auch heraus, wie schwierig es ist, in der Zweitsprache Internetsuchen durchzuführen und die Ergebnisse einzuordnen und zu bewerten. Lernen sie das, werden die Teilnehmerinnen selbstständiger – und entwickeln Selbstvertrauen.
Im Empowerment-Angebot des FCZB passiert genau das. Sherin Cheikhmous blickt entsprechend optimistisch in die Zukunft. Ihr selbstbewusstes Auftreten untermauert die Position anderer Expert*innen, die sich gegen eine Viktimisierung der Frauen aussprechen.
"Die Frauen sind stark", bekräftigte auch Sarah Rüger, "und sie sind hungrig – nach Bildung". Einige Teilnehmerinnen von "Digital Empowerment" schafften den Sprung in Praktika und Ausbildung, andere besuchen weiterführende Deutschkurse, studieren, wenige haben einen Job gefunden. Bis heute ist die Nachfrage nach dem Projekt ungebrochen.
"Digital Empowerment" im FCZBDas Informationsangebot ist zeitlich und inhaltlich flexibel. Es ist offen für Einsteigerinnen und für Frauen, die schon über Grundkenntnisse verfügen. Die Trainingseinheiten finden in kleinen Lerngruppen statt. Die Teilnehmerinnen bestimmen dabei selbst, wie häufig und wie oft sie die Angebote nutzen möchten. In den Gruppen für Anfängerinnen erleichtern Sprachmittlerinnen die Verständigung.
"Digital Empowerment" beginnt jeweils Anfang und Mitte des Jahres, ein laufender Einstieg ist jedoch nach Absprache möglich. Die nächste Lerngruppe im FCZB startet am 9. August 2019.
Kontakt und weitere Informationen:FrauenComputerZentrumBerlin e.V. (FCZB)
Cuvrystraße 1
10997 Berlin
Tel.: (030) 61 79 70 -16
E-Mail:
info@fczb.dewww.fczb.de